Der Lehrer Gisbert Callenberg = Schwiegersohn von Capar Westhoff

Quelle: Oberdick, Karl-Josef: Aus der Geschichte der katholischen Schule Schwelm (1682-2005). In: Beiträge zur Heimatkunde der Stadt Schwelm und ihrer Umgbung, Jahresgabe des Vereins für Heimatkunde Schwelm e.V., Neue Folge 54 (2005), S. 47-66.

Mit freundlicher Genehmigung des Vereins für Heimatkunde Schwelm

 

 

Zerwürfnis wegen eines Schulraumes (1833–1836)

Nachfolger Lindemanns wurde der aus Castrop stammende Lehrer Giesbert Callenberg. Seltsamerweise kam es auch in dessen Amtszeit immer wieder zu Störungen des Schulfriedens. Da entzog man ihm zunächst am 31.3.1833 das lukrative Küsteramt; dies geschah kurz nach dem Amtsantritt des Pfarrers Stoewer (1833–1840). Daraufhin sah er sich in einem fortdauernden „Mißverhältnis mit dem Kirchenvorstand“. Ein weiterer Streitpunkt war die Frage des Raumes für den kirchlichen Religionsunterricht, der in sechs Wochenstunden vom Pfarrer erteilt wurde. Er fand täglich von 11 bis 12 Uhr statt, und zwar in der wärmeren Jahreszeit in der Kirche und im Winter im Schulzimmer. Letzteres hatte sich „in Ermangelung eines besonderen Catechisationszimmers“ im Laufe der Jahre zu einer Art Gewohnheitsrecht entwickelt. Gegen diese Praxis zeigte Callenberg nun im Winterhalbjahr 1834/35 „auffallende Widersetzung“; er bat gar dieserhalb die Schulkommission um Unterstützung „gegen die Leidenschaftlichkeit einiger Kirchenvorstands-Individuen“.

Daß das mißliche Verhältnis zwischen Pfarrer und Kirchenvorstand auf der einen und dem Lehrer auf der andern Seite in der Folgezeit erhalten blieb, ergibt sich aus etlichen Beschwerdeschreiben, die Pfarrer Stoewer auch aus anderen Gründen an die Schulkommission richtete: Callenberg sei „zu übermütig und insolent“; er zeige „unanständiges beleidigendes Benehmen“; „das störrische widerspänstige Betragen dieses Mannes nimmt täglich, aber sicher zu seinem eigenen Unheil zu“. Vor solchem Hintergrund setzt es dann allerdings in Erstaunen, daß Stoewer gleichwohl Callenberg als Lehrerpersönlichkeit hoch einschätzte und dies in einem späteren Gutachten auch schriftlich niederlegte. So erklärte er sich denn auch in der Sitzung der Schulkommission vom 17.3.1836 mit der Anstellung Callenbergs grundsätzlich einverstanden.

Posse um eine Anstellung (1835–1839)

Die mit dieser Anstellung verbundenen Auseinandersetzungen aber entwickelten sich zu einem erinnerungswerten Beispiel behördlicher Prinzipienreiterei. Ausgangspunkt des Geschehens war Callenbergs im Jahre 1835 bei der Regierung in Arnsberg gestellter und von der Schwelmer Schulkommission unterstützter Antrag auf definitive Anstellung, nachdem er im Jahr 1830 nur eine provisorische Vokation erhalten hatte. Dabei hatte er zu Beginn seiner Schwelmer Dienstzeit, wie es in der Pfarrei üblich war, zugleich mit seiner Lehrertätigkeit auch das Organisten- und Küsteramt übernommen; während ihm aber das letztere, das einigermaßen einträglich war, wie dargelegt, im Jahre 1833 vom Kirchenvorstand entzogen worden war, mußte er den unbezahlten Organistendienst weiterhin leisten.

Die Regierung in Arnsberg machte nun am 23.11.1835 die Anstellung Callenbergs von der Erfüllung zweier Bedingungen abhängig: a) er müsse in Zukunft (wieder) die Schüler zum Gottesdienstbesuch zur Kirche führen, denn nach der erfolgten Wiederherstellung der Kirche verstehe „es sich von selbst, daß diese gute, für die frühe religiöse Bildung der Jugend angemessene Sitte wiedereinzuführen“ sei, und b) verlangte die Regierung die „Beibringung eines Zeugnisses über seine Befähigung zur Begleitung des Kirchengesangs mit der Orgel“. Letztere Forderung aber hieß nach Ansicht der Schulkommission, von Calleberg „etwas ganz Unmögliches begehren“, weil ihm ja schon im Zeugnis des Schullehrer-Seminars Büren am 24.3.1830 bescheinigt worden sei, daß er im Klavier- und Orgelspiel „ganz unerfahren“ sei; außerdem sei er im Jahre 1830 nur als Lehrer provisorisch eingestellt worden, dem als einzige Bedingung für die spätere definitive Anstellung lediglich tadellose Amtsführung und sittlicher Lebenswandel genannt worden sei. Und genau diese hatte die Kommission bereits in einem Gutachten vom 12.10.1835 als erfüllt bezeichnet.

In den Mittelpunkt der Meinungsverschiedenheiten zwischen Callenberg und der Schwelmer Schulkommission einerseits und der Arnsberger Regierung andererseits war also dessen Organistentätigkeit getreten. Umso erstaunlicher wirkt in diesem Zusammenhang die unvermittelt und ohne weitere Erläuterung getroffene Feststellung der Kommission vom 9.1.1836: „Die Kirche hat übrigens keine Orgel.“ Dazu muß man wissen: Die Gemeinde verfügte nach der Zerstörung der alten Orgel durch die Brandkatastrophe von 1827 nicht über die finanziellen Mittel, eine neue zu erwerben; erst als sie vom Sohn des Herzogs August Josef de Broglie im Jahre 1847 eine diesbezügliche Spende in Höhe von 200 Talern erhalten hatte, wurde eine Neuanschaffung möglich. Callenberg konnte (und mußte) also in den Jahren 1830 bis 1834 in der lutherischen bzw. reformierten Kirche während der dorthin verlegten Gottesdienste die Orgel spielen. In der Folgezeit blieb ihm eine eigentliche Organistentätigkeit verwehrt.

Gleichwohl gingen die Auseinandersetzungen weiter; sie schlugen jetzt sogar Wellen bis zum in Münster residierenden Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, Ludwig Freiherrn von Vincke. Dieser machte Callenberg am 10.7.1837 auf dessen Eingaben vom 29.3. und 14.6. deutlich: a) Wie früher sollen auch in Zukunft Lehrer-, Organisten- und Küsterdienst in einer Hand liegen; b) der Kirchenvorstand wird demzufolge angewiesen, ihm den Küsterdienst mit entsprechender Vergütung wieder zu übertragen; c) der Organistendienst ist unentgeltlich zu leisten. Zehn Tage später zog Arnsberg aus dieser Maßgabe die entsprechende Folgerung und ordnete (erneut) an:

1) Callenberg soll am 8. August d. J. in Büren seine Qualifikation zum Organistendienst (in Anwesenheit eines bischöflichen Kommissars) nachweisen und

2) das diesbezügliche Zeugnis binnen sechs Wochen einreichen.

Vermutlich hat sich Callenberg der geforderten Prüfung nicht unterzogen, weil er sich ja keine Chancen auf ein erfolgreiches Abschneiden ausrechnen konnte. Zu schließen ist das jedenfalls aus dem Vermerk in einem späteren Bericht, den die Schulkommission am 12.9.1839 für die Regierung in Arnsberg erstellte: „Da die Katholische Gemeinde jetzt, dem Vernehmen nach, einen besonderen Organisten angeordnet hat, so dürfte seiner [Callenbergs] Anstellung nichts weiter im Wege stehen.“

Daß dies tatsächlich bald erfolgte, dürfte sich daraus ergeben, daß Callenberg auch im Jahre 1848 noch an der Schule tätig war. Erwähnenswert ist noch ein weiterer Satz aus dem letztgenannten Schreiben: „Küsterdienste sind hier nicht mit dem Lehramt verbunden.“ Somit ging zu dieser Zeit die seit alters her in der Pfarrei bestehende Personalunion von Lehrer, Organist und Küster zu Ende.

Und wer trug die Schuld an diesem so unglücklich verlaufenen Geschehen? Für Pfarrer Stoewer gab es jedenfalls keinen Zweifel: Am 27.3.1838 war ihm „ganz klar, daß der katholische Kirchenvorstand von Hoher Königlicher Regierung als Patron der Schulstelle angesehen wird, derselbe jederzeit den Lehrer gewählt, dessen Vocation ausgestellt und höheren Orts zur Genehmigung vorgelegt hat“. Bei Callenbergs Einsetzung jedoch „hat der Kirchenvorstand durchaus nicht mitgewirkt, weshalb auch die traurigen Wirren entstanden sind“.